Fragen Sie doch mal – am besten am Stammtisch – wie viele Fahrstunden der Einzelne gehabt hat. Das ist also schon selten, wenn mal einer zugibt, 15 Stunden gebraucht zu haben, über zwanzig hat da noch niemand gehabt. Diese Naturtalente kann ich aber locker übertrumpfen: ich hatte für den Kl. 3 Führerschein nur ganze drei Fahrstunden. Und das auch noch auf einem VW-Käfer (Modell Brezelfenster) und mit noch kleinerem Heckfenster, weil Kabrio. (Ein Schwachsinn, so eine unsichtige Karre als Fahrschulauto zu verwenden, gell, Herr Fahrlehrer Blum!) Außerdem war die Schaltung natürlich damals noch nicht synchronisiert. Das bedeutet, dass beim Zurückschalten jedes Mal Zwischengas gegeben werden muss.
Wissen Sie wirklich genau, wie das geht? So:
1. Abbremsen auf passendes Tempo für den kleineren Gang,
2. Auskuppeln und Gang auf Leerlauf
3. Kupplung loslassen und – passendes – Zwischengas geben.
4. Auskuppeln und kleineren Gang einlegen
5. Einkuppeln
Und dieses Manöver ist angesagt, wenn man sich zum Beispiel einer Kreuzung nähert, wo man (langsamer) abbiegen muss. Empfehlung: Rechtzeitig damit beginnen!
Das soll ich als Anfänger in nur 3 Fahrstunden gelernt haben? Unmöglich.
Ist es auch. Ich habe nämlich vorher mal mindestens 100 Stunden Schwarzfahrt geübt mit dem Familienauto. Das hatte sich mein Vater zugelegt, ein Mercedes 6 Zylinder Kabriolett Baujahr 1935 und war, durch den 2. Weltkrieg leicht gebraucht, 1951 zu uns gekommen.
Führerschein hatte mein Vater damals auch noch keinen, ich aber, Klasse 4 für Kraftfahrzeuge bis 250 ccm Hubraum. (Prüffrage: Was ist der Hubraum? Der Raum soweit die Hupe reicht! ). Mein alter Herr hat sich nie getraut, schwarz zu fahren, ich hatte aber immerhin ja schon eine Fahrerlaubnis, besser als nichts. Also rechnen wir mal zusammen: 103 Stunden Übung bis zur Prüfung. Muss doch klappen, oder? Und Vorkenntnisse mit Traktor und Motorrad.
So wie ich sind sicherlich sehr viele Kraftfahrer zu ihrer Lizenz gekommen. Denn es ist nach meiner vielleicht doch maßgebenden Erfahrung nach mehreren Tausend ausgebildeten Fahrschülern, kaum möglich, einen so komplexen Vorgang, wie Auto fahren, in 10 oder 12 Übungsfahrten a 45 Minuten zu erlernen. Selbst heute, da die Fahrzeuge ja wesentlich einfacher zu handhaben sind, sind 30 Übungsfahrten durchaus die Regel.
Natürlich wird oft ein (begabter) Schüler auch mit weniger Fahrzeit zur Prüfung vorgestellt, aber ob er das dann wirklich ausreichend kann, ist eine andere Frage. Für die Prüfung kann es schon reichen.
Ja so ist es: Kaum einer will zugeben, sich beim Fahren lernen dusselig angestellt zu haben. Es ist eben eine Prestigefrage für den Deutschen, das gute Fahren und Fahrtalent sozusagen mit der Muttermilch eingesaugt zu haben.
Das wirkt sich natürlich auf die Neuschüler aus, wenn sie mehrfach so was hören. Das Fahren, meinen diese, lernt man dann irgendwann später, so vom Freund oder vom Vater oder durch Intuition oder durch Praxis – aber auf keinen Fall vom Fahrlehrer. Den braucht man halt notgedrungen, um zur Prüfung zu kommen.
Das ist vielleicht ein Mumpitz!
Die „gute“ Fahrschule erkennt man also daran, dass ihre Schüler mit möglichst wenig Fahrstunden zur Prüfung vorgestellt werden – und sogar auch durchkommen.
Das ist eine wichtige Grundforderung, liebe Mitautofahrer: Gebt endlich zu, wie viele Fahrstunden ihr wirklich gebraucht habt, um zum Führerschein zu gelangen und wie viele Schwarzfahrten und Vorübungen dabei waren und was dann eben doch noch nicht richtig beherrscht wurde, und wie viele Augen der Prüfer doch noch zugedrückt hat. Erst wenn das Fahrtalent nicht mehr den Grundwert eines Menschen bestimmt, ist mit Akzeptanz einer gediegenen Ausbildung zu rechnen.
Welche Tragödien haben sich deshalb schon abgespielt, wenn jemand durch die Prüfung gefallen war – womöglich gar durch die Wiederholungsprüfung. Ich erinnere mich an Ehefrauen, die mir gesagt haben: „Mein Alter schlägt mich tot, wenn ich wieder durchgefallen bin! Dann gehe nicht mehr nach Hause!“
Das ist die Folge von sozialer Überbewertung der Fahrkünste. Das muss aufhören! Ich kenne sehr anständige, wertvolle Menschen in guten sozialen Positionen, die zeitlebens überhaupt keinen Führerschein besaßen und solche, die unumwunden zugeben, dass sie miserabel Auto fahren.
Also: Es ist prima, wenn jemand technisch gut Autofahren kann, Ein Maßstab für menschliche Größe ist das jedoch nicht. Etwas Anderes ist das soziale Verhalten als Kraftfahrer gegenüber seinen Mitmenschen, speziell den Schwächeren. Da ist Niveau durchaus ein Thema.
Dies ist ein Auzug aus meinem Buch "Führerschein? Keiner ist zu blöd!" ISBN 978-3-8370-0645-2 im Buchhandel für 9,90 €
Duell oder Duett?
vor 7 Jahren