Klein-Rentner-Reise 100-Euro-weit
Eine Reportage
„Reisen“, sagt meine Frau, „fällt heuer aus. Mangels Masse!“ „Ich habe aber für eine Gefälligkeit einen Hunderter bekommen!“ „Da wirst du nicht weit kommen!“ Das wollen wir doch mal sehen.
Durch die Luft geht’s am weitesten. Wer fliegt billig?
Ab ins internet: Ryanair.com: Für den Hinflug nach Dublin nächsten Samstag 59,99 Euro, zurück 29,99. Das geht wohl nicht. Aber mal in vier Wochen probieren: Na bitte: am 30. hin : € 9,99 – am 2. zurück 15,99 Will ich abends der Frau zeigen. „Da schau mal, 26 € nach Dublin“. Von wegen, schon weg, der Flug. Kostet jetzt 29.99 hin 59,99 zurück. Mein Lerneffekt: Wer Ryanair bucht, muss hurtig sein und lang im Voraus entscheiden.
Jetzt habe ich aber einen Flug, extrem billig, jedoch 6 Wochen voraus: 10,99 hin und 0,01 € (in Worten 1 Cent!) zurück. Wo geht’s los? In Frankfurt-Hahn. Hahn hat mit Frankfurt soviel zu tun wie Stansted mit London – nämlich nichts. Wie kommt ein Rentner von Weinheim ohne Auto zum Abflug 11:40h nach Hahn? Und vor allem: nachts 21:30h von dort wieder heim? Da gibt’s passend einen Zubringer-Bus ab Heidelberg (5:30h!), Mannheim oder Worms. www.bbk-barbis.de Der Busunternehmer verspricht sofortigen Einsatz eines Zweitbusses, wenn zuviel Leute an der Haltestelle stehen. Ich will später aufstehen. Ein Rentner hat doch das VRN-Ticket ab 60. Mit der Eisenbahn geht’s nämlich auch, über Frankfurt Hbf. (an 7:48) - ab Weinheim 6h49 Damit kann ich bis Zwingenberg fahren und muss (vorher, am Bahnhofsauto-maten!) noch 7,60 zuzahlen. Der Frankfurter Hahn-Bus (Fa. Bohr) steht vor der Hausfront an der rechten Seite des großen Parkplatzes, ist aber nur erreichbar, wenn man flott marschiert: Hbf-Südausgang, rechts rum 200m geradeaus, dann links entlang der Häuserfront.
Ein Koffer-Mitflug kostet 7.- das kann man aber sparen, wenn man alles ins Handgepäck schafft (55x40x20 cm max 10kg) und muss dann nicht Schlange stehen – online boarding - und kriegt im Flieger dann die besten Plätze zu Aussuchen. Aufpassen: Nichts einpacken, was zu einem Massaker im Flugzeug geeignet wäre: Nagelschere zum Beispiel. (Tipp: Platzreihe am Notausgang überm Flügel. Kriegen nur Rüstige. Erklären, man sei Hobbypilot und will am Notausgang sitzen. Klappt immer und ist dann richtig fußfrei.
Nach dem Katzensprung nach Irland besorge ich mir sofort am Schalter des Tourist-Office das 3-day-Rambler-Ticket. (€ 10,50) Damit kann man die Dublin-Busse - es gibt vermutlich Tausende davon, beliebig benutzen. Ein Besorge-Muss: The Main Guide to Dublin Bus Services. Das System ist nämlich kryptisch und es gibt keine Haltestellenansagen. Busse stoppen an der Haltestelle nur, wenn man winkt oder innen den Knopf drückt.
Versuchen Sie nicht, gälische Namen auszusprechen. Hier ein Versuch: Dun Laoghaire
ist ein solches Ziel. Aussprache, na wie? „Don Liery“
11 Euro Reisepreis stimmt natürlich nicht ganz: Gebühren sind 13,94 + 20,64 + Bankgebühr, insgesamt werden abgebucht (geht nur online! ) 50,58
Dazu kommen die Busfahrten ab Frankfurt hin 12,00 und zurück nach Heidelberg Hbf = € 18.--
Das sind dann summa-summarum 102,08 (ab Weinheim: € 109,68)
Also für den Preis kommt man selbst mit dem Fahrrad nicht bis an die Kanalküste (und zurück). Dann wäre da ja auch noch eine ausgiebige Wasserstrecke.
„Nun“, sagt meine Frau, „und wo legst du dein müdes Haupt hin?“
Also das ist ein Problem in Dublin, besonders für alleinreisende Kleinrentner wie mich. Ich versuch’s mal online. Bed & Breakfast-Dublin oder ähnliche Seiten. Nach einigen längeren Internet-Sitzungen merke ich, daß Privatangebote praktisch nicht im Web stehen – das ist alles irgendwie kommerziell. Es gibt Unterkunft eigentlich nur als Doppelzimmer mit Aufschlag als „single room“ : so ab ca. 50 € /Nacht. Hotels wage ich gar nicht zu fragen, als rüstiger Rentner scheue ich mich aber nicht, mal in einem „hostel =Jugendherberge“ anzufragen. Ja, da gäb’s schon was, zentral gelegen, ein „8-person-dorm“ ab € 19.- /Nacht. Nein, lieber doch alleine schlafen.
Ich finde online praktisch nichts unter 50 € und entschließe mich, angesichts meiner Sprach- kenntnisse einfach mal hinzufliegen und sehen, was es vor Ort gibt. Tatsächlich bekomme ich übers Tourist-Office am Flughafen Dublin sogar ein Hotelzimmer, verkehrsgünstig gelegen, reduziert, für 45 €uronen pro Nacht, brauchbar, inklusive Frühstück aber schon mit stark gebremstem Komfort.
Einen (vermutlichen) Touristen habe ich gesehen, wie er im St.-Stephens Park – also mitten in der Stadt – sein Zelt und Schlafsack im nassen Gras heimlich hinter einer Hecke (die haben das wohl nicht so gerne dort) zusammenpackte. Wäre ja auch ne Möglichkeit. Was sonst so die Kosten anbelangt, kann man sich eine leichte Vorstellung machen an diesem Beispiel: Ein Hamburger in einem bekannten „Schnellfress“ (M) kostet hier zur Zeit 1 Euro, das identische Gegenstück dort: 1,60 So ist es mit allem. Für Diabetiker-II, eine gängige „Option“ als Rentner, ist die Gegend ein wirkliches No-Go-Land. Überall nur Weißbrot, weiß-Zucker und sonstiges Süßzeug – und ganz erstaunlich: nirgends gibt’s Fisch. Dafür aber ’ne Pizza Magherita für gerade mal schlappe 12 Euro. Nein, nicht im Plaza-Hotel, sondern einer Bruchbude am Straßenrand. Man zähle auch seine Barschaft, bevor man seinen Frust im Alkohl ertränken will: ein Pint „LAGER“ kostet 3,50, das bekannte Guinnes mehr und ganz happig wird’s bei Flaschenbier: In einem Kaufhausrestaurant in der Henry-Street kostet das 0,33 l-Fläschchen freche 4 € 20! Das sei normal, meint die Verkäuferin. Aha.
Ich versuche, den Namen einer klotzigen Kathedrale zu erfahren: Zehn Passanten wussten ihn nicht, davon waren sogar drei Iren. Man trifft sehr gerne Spanier, Polen, Litauer, Jugoslaven, Chinesen, Afrikaner und gelegentlich sogar Iren, besonders in meinem Alter. Ein solcher wusste den Namen. Er sagte ihn mir auf Gälisch. Im Stadtführer steht: Pro-Cathedral. Ach so, fast hätte ich es vergessen: Wer sagt, er sei Deutscher, löst bei Iren sofortige Begeisterung aus!
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